EINWURF: von Tim Lindner, Ex-Herausgeber der indoor bike SPORTS und Radballspieler
Sind unsere Kommissäre Märtyrer und Masochisten?
Ja, es ist vollkommen richtig! Es gibt Kommissäre die häufig Fehlentscheidungen treffen. Die Leistungen dieser Kommissäre sind meistens schlecht bis indiskutabel und spotten jeder Beschreibung.
Aber, wie viele Fehler machst du in einem Spiel? Wie oft gibst du haarsträubende Fehlpässe, fällst ohne Gegnereinwirkung vom Rad - aber der Kommissär ist ein "Alptraum". Wie viele 100% Chance hast du schon vergeben - aber den Kommi nennst du eine "Null". Wie oft versemmelst du einen 4-Meter oder Freistoß, weil du nicht konzentriert genug bist oder keinen richtigen Schuß herausbringst - aber wehe, der "Stümper" übersieht ein Foul, gibt ein Tor nicht oder lässt einen Vorteil nicht laufen.
Unsere Kommissäre sind doch wirklich arm dran. Sie können ein ganzes Spiel souverän und fehlerlos leiten, während die beteiligten Radballer unzählige Fehlschüsse und Ballverluste produzieren. Aber werden sie dafür gelobt? ... und wehe, sie treffen zehn Sekundenvor Schluß in deinem vierten und letzten Spiel der zweiten Halbzeit (Kommissäre müssen übrigens an einem Spieltag öfters "spielen" und hochkonzentriert sein) eine - vermeintliche - Fehlentscheidung: Harakiri, die Jagd ist eröffnet.
Man kann sich eigentlich nur wunder, dass es noch so viele Masochisten und Märtyrer gibt, die sich, gegen jede Vernunft und ohne Entschädigung, immer wieder diese kleinen Metall- oder Plastikröhrchen in den Mund stecken, um ihre Mitmenschen mittels eines einzigen harmlosen Luftstosses durch dieses Röhrchen zu erstaunlicher verbaler Kreativität zu animieren.
Kommissäre sind auch nur Menschen. Und kein Kommissär, und Schiedsrichter aus anderen Sportarten, der Welt wird jemals eine Entscheidung zurücknehmen, nur weil er angemeckert oder gar beschimpft wird. Ganz im Gegenteil: ein Kommissär ist keine Maschine, seine Emotionen fließen zwangsläufig mit ein seine Entscheidungen ein. Mit unsachlicher Kritik und Gemoser bringst du ihn nur gegen dich auf und erreichst mit Sicherheit genau das Gegenteil, nämlich dass er in Zweifelsfällen gegen dich entscheiden wird. Dann beschwerst du dich noch mehr, konzentrierst dich nicht mehr auf dein Spiel, sondern nur noch auf den Kommissär, bringst Unruhe in euer Spiel und verlierst.
Gerade schwache Spieler suchen die Ursache für ihr eigenes Versagen immer wieder beim Kommissär: man fällt bei einer leichten Berührung vom Rad und reklamiert dann, es sei Foul gewesen. Ein guter Spieler rechnet damit, dass kleinere Fouls und andere Regelübertretungen manchmal übersehen werden. Mal abgesehen davon, dass man wegen einer kleinen Berührung nicht vom Rad fallen sollte! Selbst wenn du überzeugt bist, dass die Kommissäre ein Spiel absichtlich verpfeifen und dich "auf dem Kiecker" haben - werden sie etwa besser, wenn du dich aufregst und sie beschimpfst? Im Gegenteil, dein Gemecker wird immer zum Boomerang und trifft dich härter als den Kommi.
Auch der Coach an der Torauslinie muss in dieser Beziehung ein absolutes Vorbild sein. Man kann nicht erwarten, dass die Spieler ruhig und konzentriert bleiben, während der Trainer wie ein HB-Männchen hinter dem Tor herumspringt und sich über die Kommissäre aufregt - ganz abgesehen davon, dass er vor lauter Ärger und Aufregung den Überblick über das Spielgeschehen verliert.
Rechne also mit schwachen Kommissärleistungen genauso, wie du mit schwachen Spielerleistungen rechnen musst und unterdrücke dein Verlangen, dem Kommi deine Brille Stärke 2.5 anzubieten. Es wäre nicht das erste Foul das ein Spiel entscheidet - und der Kommissär sitzt sowieso am längeren Hebel. Ausserdem werfen umherhampelnde Spieler und Betreuer ein schlechtes Licht auf unsere Sportart. Die Vorbildfunktion für junge Radballer sollte man auch beachten.
Warum also auch den letzten Zuschauer durch so ein Aufreten vergraulen?
Zum Abschluss noch ein wichtiger Punkt: Ohne die Kommissäre wäre unser Radballsport überhaupt nicht möglich.